1995 / 1 - 1

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1. Auszug aus dem Urteil der ARK vom 6. Dezember 1994
    i.S. M.B. und Familie, Türkei


Grundsatzentscheid:[1]
Artikel 3 Absatz 1 und 2 AsylG: Anerkennung der Kollektivverfolgung der Glaubensgemeinschaft der Yeziden in der Türkei; direkte und mittelbare staatliche Verfolgung.

1. Die Glaubensgemeinschaft der Yeziden und deren Situation in der Türkei (Erw. 4c bis e).

2. Die Rolle des türkischen Staates: direkte staatliche und vom Staat geduldete, teils aktiv unterstützte Verfolgungsmassnahmen seitens Dritter (mittelbare staatliche Verfolgung; Erw. 5).

3. Begriff der Kollektivverfolgung: Die gezielten, häufigen und andauernden Massnahmen müssen sich grundsätzlich gegen alle Mitglieder des Kollektivs richten, so dass der Einzelne aus der erheblichen Wahrscheinlichkeit heraus, selbst verfolgt zu werden, begründete Furcht hat (Erw. 6a).

4. a) Im Fall der Yeziden gehen die Verfolgungsmassnahmen weit über das hinaus, was andere religiöse oder ethnische Gruppen der Türkei an Benachteiligungen und Schikanen hinzunehmen haben; diese Massnahmen sind mithin gezielt gegen die Yeziden als Glaubensgemeinschaft gerichtet und genügen der von Artikel 3 Absatz 1 AsylG geforderten Intensität (Erw. 6b).

b) Die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden genügt, um Ziel der (unmittelbaren und mittelbaren) staatlichen Verfolgung zu werden; dadurch sind die Anforderungen an die begründete Furcht vor Verfolgung herabgesetzt (Erw. 7a); die Flüchtlingseigenschaft ist allein aufgrund der Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Yeziden insgesamt zu bejahen, Asylausschlussgründe sind vorliegend keine gegeben, weshalb das Asyl zu gewähren ist (Erw. 7b und c).


[1]  Entscheid über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäss Art. 12 Abs. 2 Bst. a der Verordnung über die Schweizerische Asylrekurskommission (VOARK; SR 142.317).