1993 / 6 - 37

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Die Gesamtwürdigung der vorhandenen Beweiselemente führt deshalb zum Schluss, dass der Beschwerdeführer seine politischen Aktivitäten bzw. Einstellung und die Situation, die ihn zur Ausreise veranlasste, glaubhaft gemacht hat.

4. - Art. 3 AsylG definiert Flüchtlinge als Ausländer, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnten, ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Von Art. 3 AsylG wird somit nicht bloss erfasst, wer bereits ernsthaften Nachteilen ausgesetzt war, sondern ebenso wer begründete Furcht hat, solchen Nachteilen in Zukunft ausgesetzt zu werden.
Als Flüchtling gilt danach, wer in einer konkreten Situation so, wie er sie sehen durfte, begründeten, d.h. für Dritte objektiv nachvollziehbaren Anlass hatte, Furcht vor Verfolgung zu hegen. Mit den Festnahmen des Beschwerdeführers und der Verfolgung seiner Brüder durch staatliche Behörden in sehr jungem Alter wurde eine Sachlage geschaffen, die geeignet ist, auch objektiv Furcht vor weitergehender Verfolgung zu begründen. Massgebend kann nicht allein sein, was der vernünftig denkende, besonnene Mensch angesichts der geschehenen oder drohenden Verfolgungsmassnahmen zu Recht an Furcht empfunden hätte. Auf jeden Fall müsste diese rein objektive Würdigung der Umstände durch das vom Betroffenen bereits Erlebte, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und Kenntnisse durch Bekannte und Verwandte erweitert werden. Werden solche Erfahrungen bei der Bewertung der Begründetheit der Furcht berücksichtigt, so genügt die subjektive Furcht, wenn sie zwar diejenige eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen übersteigt, aber trotzdem nachvollziehbar bleibt.

Familienmitgliedern politisch Verfolgter, die ständig behördlichen Nachforschungen oder fortdauernden Diskriminierungen im beruflichen und wirtschaftlichen Bereich wegen des politisch verfolgten Familienangehörigen ausgesetzt sind, den Asylanspruch zu versagen, widerspräche dem humanitären Grundgedanken des Asylrechts. Die Gefahr, dass solche Verhöre und Nachforschungen in Inhaftierungen längerer Dauer oder noch schärfere Repressalien wie etwa Folterungen oder körperliche Misshandlungen umschlagen können, ist bei Familienangehörigen politisch Verfolgter nie auszuschliessen. Daraus ergibt sich aber, dass es gerechtfertigt ist, für diese Fälle in Anbetracht der Wahrscheinlichkeit des Eintrittes schwerwiegender Massnahmen durch